OFFENER BRIEF an die Mitglieder des Abgeordnetenhauses
Sehr geehrte/r Frau/Herr ***,
wir schreiben Ihnen als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses heute, weil wir zutiefst besorgt und alarmiert sind. Wir – das ist BERLIN4FUTURE, ein freier Zusammenschluss von Privatpersonen, Klimagerechtigkeitsinitiativen, anderen NGOs und Unternehmen. Normalerweise stehen wir jeden ersten Montag im Monat im Rahmen der “KlimaMontag”-Demonstration mit mehreren hundert Menschen auf dem Alexanderplatz, um unsere Stimme für eine klimagerechte Politik, die die Zielstellungen des Pariser Abkommens ernst nimmt, zu erheben. Angesichts der Corona-Pandemie setzen auch wir diese Berlin-weit größte regelmäßige Klimapolitik-Protestaktion aus und wenden uns heute auf diesem Wege an Sie.
Corona hat vieles verändert in unserem Zusammenleben, in Kultur, Bildung, Wirtschaft, Sport u.v.m. Die Politik reagiert darauf und konzentriert sich auf den entschlossenen und notwendigen Kampf gegen die Corona-Pandemie. Das ist gut und richtig. Aber wir sind sehr besorgt, dass Regierung, Partei-Politiker und Abgeordnete die leider noch einmal deutlich größere Bedrohung durch die Klimakrise aus den Augen verlieren. Klimapolitische Themen werden immer weniger thematisiert, die Bekämpfung der Klimakrise wird bei Anti-Corona-Maßnahmen nicht oder sehr selten mitgedacht, schon mehren sich die Stimmen, die ein Ankurbeln der auf fossilen Energieträgern basierenden Wirtschaft als vorrangige Aufgabe nennen.
Dabei hat der Kampf gegen die Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig wissenschaftlich fundierte Lösungsansätze sind. Im Hinblick auf das Klima sagt die Wissenschaft eindeutig, dass wir auf dem Weg sind, dieses zu ruinieren und damit unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Sie sagt auch, dass wir ca. 10 Jahre Zeit haben, um bei einem linearen Abbau der CO2-Emissionen auf eine Netto-Null zu kommen. 10 Jahre sind für die bevorstehenden Aufgaben nicht viel Zeit, aber es sind immerhin 10 Jahre. Was würden wir heute dafür geben, im immateriellen als auch materiellen Sinne, 10 Jahre Zeit gehabt zu haben, um uns auf die Corona-Krise vorzubereiten, bzw. sie zu vermeiden?
Dieses Zeitfenster von 10 Jahren zur Vermeidung einer Erderhitzung von über 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter besteht völlig unabhängig von Corona. Lassen Sie deshalb nicht zu, dass wir die Klimakrise aus den Augen verlieren. Was gebraucht wird, sind kühne Visionen für die Einhaltung des Pariser Abkommens. Und wir brauchen sie jetzt, nicht erst nach der Lösung der Corona-Krise, wann immer das sein wird.
Sie, als Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, fordern wir daher auf, alles daran zu setzen, die Stadt Berlin so schnell wie möglich auf einen Kurs zu bringen, der mit den Zielstellungen des Pariser Abkommens kompatibel ist. Das bedeutet: Berlin muss bis spätestens 2030 klimaneutral und damit Nullemission-Stadt werden.
Dazu gehören u.a. folgende Schwerpunkte:
- der Kohleausstieg bis 2025, ohne einen Wechsel auf Erdgas.
- der Stopp von Planung und Bau fossiler Infrastruktur wie Autobahnen, Flughäfen (inkl. Landebahnen), Erdgaskraftwerke.
- der massive Ausbau der Photovoltaik, erneuerbarer und regenerativer Wärmeversorgung, und die Schaffung einer benötigten Infrastruktur in Berlin. Das Land Berlin kann hier mit Nutzung aller öffentlichen Gebäude, Verwaltungen, Schulen, Feuerwachen usw. vorangehen.
- die Verbannung von Autos mit fossilen Verbrennungsmotoren aus der Innenstadt bis 2025, bis 2030 aus der gesamten Stadt. Verbunden damit der Ausbau der Fussgänger-, Fahrrad- und ÖPNV-Infrastruktur.
- die Verankerung von klimapolitischen Themen in den Bildungsplänen aller Schultypen.
Es ist Zeit für wegweisende Entscheidungen. 75% der Deutschen und damit sicher auch der Berlinerinnen und Berliner sehen in den Klimaveränderungen einen “globalen Notfall”*. Sie erwarten dazu Lösungen von Ihnen!
Mit freundlichen Grüßen
für Berlin4Future
Gerd Hübner, Tanja Schwarz und Ingrid Kunkel
*Quelle: The People´s Climate Vote, United Nations Development Programme, January 2021